sick card 491715 1280 thumbDas Ansinnen der Fraktion Die Linke, Beamten den Weg in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu erleichtern, stößt bei Experten auf Ablehnung ebenso wie auf Zuspruch. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montag deutlich. Laut dem von der Linksfraktion vorgelegten Antrag (19/1827) soll in der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) vorgesehen werden, dass anstatt eines Beihilfeanspruchs nur für die Private Krankenversicherung (PKV) auch eine dem Arbeitgeberbeitrag analoge Zahlung an die Krankenkasse von gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Beamtinnen und Beamten und vergleichbaren Beschäftigen auf deren Wunsch erfolgen kann.

Zwar könnten Beamte zu Beginn ihrer Laufbahn frei zwischen PKV und GKV entscheiden, schreibt die Linksfraktion in der Begründung zu ihrem Antrag. Tatsächlich seien sie aber "faktisch gezwungen, die PKV zu wählen, da ihnen sonst unverhältnismäßige finanzielle Nachteile" erwüchsen. Hintergrund dessen sei, dass die den Beamten zustehenden Beihilfeansprüche nicht für Beiträge an die GKV geltend gemacht werden könnten. Sind sie in der GKV, müssten sie den vollen Beitragssatz allein tragen.

Da ein nicht geringer Teil der Beamten Mitglied in der GKV sei, obwohl die Beamten die Beiträge selbst tragen müssten und die Beihilfe kaum noch beanspruchen könnten, ist aus Sicht von Professor Karl-Jürgen Bieback von der Universität Hamburg eine Öffnung der GKV für Beamte notwendig. Diese könne der Dienstherr über ein Modell selbst regeln, das gegenwärtig in Hamburg (Hamburger Modell) umgesetzt werde. Bei allen anderen Modellen gehe das nur in Kooperation von Bund und Ländern. Die Öffnung würde unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn die Vorsorge der Beamten gegen Krankheit verbessern. Sozialrechtlich sollte sichergestellt werden, dass die Beamten dann Pflichtmitglieder der GKV sind, sagte Bieback.

Aus Sicht von Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung wäre mit der Neuregelung mehr Wahlfreiheit und Selbstbestimmung in der Krankenversicherung verbunden. Auch würde ein weiterer Anreiz geschaffen, in den Staatsdienst einzutreten. "Das ist wichtig beim Kampf um die klugen Köpfen", sagte Etgeton. Was die Folgen eine Neujustierung für die öffentlichen Haushalte angeht, so seien zwar kurzfristig Mehrkosten zu erwarten. Mittelfristig würde sich dies aber im Saldo positiv auswirken, sagte er. Bei einer entsprechenden Regelung sollte der Gesetzgeber sich am Hamburger Modell orientieren, laut dem Landesbedienstete mit Beamtenstatus einen hälftigen Zuschuss zu dem Versicherungskosten auch im Falle einer Mitgliedschaft bei der GKV in Anspruch nehmen können. Dieses Modell habe bereits in anderen Bundesländern Schule macht, sagte Etgeton. Eine gleichgerichtete beamtenrechtliche Entwicklung in dieser Sache sei zu begrüßen, um die Mobilität der Bediensteten zu erleichtern.

Die Effekte einer solchen Reform wären nach Auffassung von Professor Christian Hagist von der WHU - Otto Beisheim School of Management eher gering. Für die GKV seien diese laut des durchgeführten Simulationsmodells negativ, da neue Anreize für Gruppen mit niedrigem Einkommen, hoher Morbidität und mitversicherten Familienmitgliedern geschaffen würden, sich gesetzlich zu versichern. Dagegen würden sich Haushalte mit hohem Einkommen und Kinderlose weiterhin überwiegend in der PKV besserstellen, sagte er. Die Beihilfekosten des Staates und die Beiträge bei der PKV würden vermutlich sinken, so Hagist.

Auf deutliche Ablehnung traf das Vorhaben der Linksfraktion bei Friedhelm Schäfer vom DBB Beamtenbund und Tarifunion. Die Idee der pauschalen Beihilfe sollte seiner Meinung nach weder im Bund noch in den Ländern weiterverfolgt werden, "weil dies zu Rechtsunsicherheiten, zu Irritationen und zu einem höheren Mittelbedarf führt, statt zu Berufsattraktivität und Gerechtigkeit". Das Ziel, für wenige Einzelfälle positive Auswirkungen zu realisieren statt die Mittel für Verbesserungen für alle Beamten und Versorgungsempfänger zu verwenden, dürfe nicht durch eine Maßnahme vorangetrieben werden, die letztendlich große Probleme für alle provoziere und geeignet sei, eine schleichende Erosion etablierter Systeme - nämlich der Beihilfe, der freien Heilfürsorge und letztendlich des Berufsbeamtentums - einzuleiten, warnte Schäfer.

Olaf Schwede vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bewertete das anders. Es sei richtig, die bestehende Benachteiligung von Beamten, die sich schon bisher freiwillig in der GKV versichert haben, zu beenden, sagte er. Die Gewährung einer pauschalen Beihilfe sei ein Beitrag zur Gleichbehandlung. Nötig sei aber eine gesetzliche Regelung statt wie geplant, eine Regelung im Rahmen der Bundesbeihilfeverordnung. Schwede machte zugleich deutlich, dass auch bei einer bundesweiten Einführung des "Hamburger Modells" keine Belastung für die GKV zu erwarten sei. Im Vergleich zu normalen Versicherten seien schließlich auch Beamte in niedrigen Besoldungsgruppen potentiell gute Beitragszahler. So bestehe beispielsweise kein Risiko von Beitragsausfällen. Selbst bei längeren Erkrankungen würden weiter Beiträge gezahlt, da die Beamten weiterhin Besoldung erhielten, sagte der DGB-Vertreter.

Mit Verweis auf die Ablehnung der Initiative durch den Beamtenbund sagte Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn: "Wir haben hier eine Regelung, die keiner fordert und die keiner haben muss." Es fehle also an "guten Gründen", dieses verfassungsrechtlich zumindest umstrittene Vorhaben umzusetzen. Um Beamte mit geringen Einkommen und Familien finanziell zu entlasten seien andere Wege möglich, wie etwa die Anhebung der unteren Vergütungsgruppen sowie die Erhöhung der Familienzuschläge, die es im Beamtentum gebe. Für das Projekt Bürgerversicherung sollte man die Beamtenschaft jedoch nicht vereinnahmen, sagte Thüsing.

Quelle: Deutscher Bundestag