Sachverständige haben am 25. Januar in einer öffentlichen Anhörung des Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen Nachbesserungen an der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Novelle (20/4823) des Raumordnungsgesetzes angemahnt. Zwar lobten einige Experten das Ziel, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Infrastruktur und der erneuerbaren Energien zu beschleunigen und zu verschlanken, sahen jedoch Bedarf für Änderungen und weitergehende Regelungen. Umweltschutzverbände sehen umwelt- und artenschutzrechtliche Belange nicht ausreichend berücksichtigt.
Dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) gehe der Gesetzentwurf angesichts von Wohnungsnot, Energie- und Klimakrise der Gesetzentwurf nicht weit genug, erklärte ZIA-Vertreterin Tine Fuchs. Die Bundesraumordnungsplanungen sollten auch die Grundlagen zur Bewältigung der Energiewende, zur Flächeninanspruchnahme und für den heimischen Rohstoffabbau und die Rohstoffsicherung schaffen. Der ZIA halte unter anderem eine Gesamtnetzplanung erforderlich, um bundesweit für erforderlichen Ausbau von Windenergie zu sorgen. Beim Bau von Wohnungen sollten die Stadt-Umlandbeziehungen stärker in den Blick genommen werden. Ähnlich äußerte sich Willy Spannowsky, Professor für Öffentliches Recht an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.
Die Vertreterinnen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie des Deutschen Städtetages, Marianna Roscher und Eva Maria Levold, forderten klare Standards für den Ausbau der Windenergie und kritisierten unter anderem die Pläne, eine „Soll-Bestimmung“ bei den Zielabweichungsverfahren einzuführen. Dies würde bedeuten, dass dem Antrag auf Zielabweichung regelmäßig zu entsprechen wäre, heißt es in ihrer gemeinsamen Stellungnahme. Die zu erwartende spürbare Zunahme von Zielabweichungsverfahren würde die Planungsbehörden außerdem zusätzlich belasten. In Bezug auf die Beschleunigung des Raumverträglichkeitsverfahrens sprachen sie sich dafür aus, den Prüfumfang konkreter zu fassen. Bisher bleibe offen, in welchem Umfang die „überschlägige Prüfung“ hinter einer üblichen Prüfung von Umweltbelangen zurückbleiben dürfe. Rainer Danielzyk von der Akademie für Raumentwickung in der Leibniz-Gemeinschaft ergänzte, die Stärke der Raumverträglichkeitsprüfung, frühzeitig verschiedene Varianten eines Vorhabens auf ihre Raumverträglichkeit hin zu betrachten, komme im Entwurf nicht ausreichend zur Geltung.
Lutz Mehlhorn vom Niedersächsischen Landkreistag bekräftigte im Namen der kommunalen Spitzenverbände deren Ablehnung einer strikten Anpassungspflicht für Raumordnungspläne der Länder und der regionalen Planungsträger an Raumordnungspläne des Bundes. Sie trage nicht zur Beschleunigung von Verfahren bei, sondern ziehe Planänderungen und erneute Planungs- und Beteiligungsprozesse nach sich, je nachdem, wie häufig die Bundesebene von der Möglichkeit zur Aufstellung von Bundesraumordnungsplänen Gebrauch mache oder Änderungen vornehme. Die Erleichterung von Windenergievorhaben nannte Mehlhorn von ihrer Zielrichtung her begrüßenswert. Er äußerte aber die Sorge, dass dies eine vertiefte natur- und artenschutzrechtliche Prüfung bereits auf Ebene der Regionalpläne bedeuten könnte.
Nach Ansicht von Cornelia Nicklas von der Deutschen Umwelthilfe sollten Infrastrukturprojekte strikt nach ihrem Klima- und Umweltnutzen priorisiert werden. Der vorliegende Gesetzentwurf werde dem aber nur in Teilen gerecht. So könne der Ersatz der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durch eine lediglich überschlägige Prüfung der Umweltauswirkungen eine reguläre UVP im Rahmen der Raumverträglichkeitsprüfung nicht ersetzen. Bei der Strategischen Umweltprüfung (SUP) müssten zudem artenschutzrechtliche Belange angemessen berücksichtigt werden. Darüber hinaus äußerte sie die Sorge, dass die vorgesehene Soll-Regelung im Zielabweichungsverfahren die Bindungswirkung der Ziele aufheben könne.
Der Rechtsanwalt Holger Schmitz bezeichnete die mögliche Entscheidung der Raumordnungsbehörde über die Zielabweichung hingegen als angemessenen Weg. Die in der Praxis teilweise bestehende Zurückhaltung bei Gewährung der Zielabweichung sei ein wesentlicher Grund für die Verzögerung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen. Die Gefahr einer ungezügelten Inanspruchnahme von Freiraum sah er ausdrücklich nicht.
Anne-Kathrin Tögel von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bezeichnete langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren als Hemmnisse für die Wirtschaft. Daher gehe der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. Allerdings seien „grundlegende Überarbeitungen des Bau-, Umwelt- und Verwaltungsverfahrensrechts für alle Wirtschaftsbereiche“ nötig. Langwierige Doppelprüfungen müssten vermieden werden, Vorhabensträger sollten Raumverträglichkeitsprüfungen in integrierten Verfahren durchführen können.
Magnus J. K. Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) zufolge wird die Gesetzesnovelle dem Anspruch, die Flächeninanspruchnahme zu verringern und einen sparsamen Umgang mit Boden zu erreichen, nicht gerecht. Eine erleichterte Abweichung von bestehenden Zielen der Raumordnung lehnte er ab. Umweltverträglichkeitsprüfungen für Raumordnungspläne und Raumordnungsverfahren müssten unter Beachtung des EU-Rechts erstellt werden, was aus dem Gesetzentwurf aber nicht hervorgehe.
Quelle: Deutscher Bundestag