Page 3 - ZBI-Nachrichten-2-3-2018

Leitartikel

Mutig und mit Weitblick die Mobilitätswende einleiten

Von Dr. Anton Hofreiter, MdB

I n den vergangenen Jahren haben Chaos auf der Schiene. Und der mit mehr Bahn und ÖPNV, über
Zeitungsleser gewöhnt sich an Mil li -
Elektrofahrzeuge, Effizienz und grüne
die Verkehrsminister stets ver-
sucht, dem zunehmenden Auto -
system ohne Tote und Schwer -
verkehr Straßen hinterherzubauen ardengräber wie S21 und BER. Kein Energie. Vision Zero, ein Verkehrs -
Verkehrsminister des Bundes, der sich
und damit wiederum weiteren Auto - nicht die Verlagerung des Güterver - verletzte, ist als Ziel in der Theorie
verkehr hervorzurufen. Die Bahn - kehrs auf die Fahnen schreibt. Wenn schon lange Konsens.
politik blieb ohne Vision und Herz. dennoch immer mehr Fahrgäste und
Auch die Bürgerinnen und Bürgern
Der Automobilindustrie dagegen wur - Güter auf der Straße transportiert
erwarten längst konkrete Verände -
de von der Bundesregierung jeder werden, Autos protziger und schnel-
rungen. So spricht sich etwa eine
Spiel raum zugestanden, den sie bean- ler werden, wenn die Zahl der Ver -
große Mehrheit in Deutschland dafür
spruchte. Diese Verkehrspolitik war kehrsopfer nicht zurückgeht – dann
aus, städtische Verkehrsflächen nicht
getragen von so genannten Volks - haben wir in Deutschland offenbar
länger einseitig zugunsten des Auto -
parteien, Automobillobby und Bau - ein massives Umsetzungsproblem.
verkehrs zu nutzen, sondern mehr
industrie. Wer sie kritisierte, wurde als
Platz für Radwege, ÖPNV und Car -
Fortschrittsgegner oder Arbeitsplatz -
Mobilitätswende jetzt sharing zu schaffen.
ge fähr der gebrandmarkt.
anpacken
„Mobilitätswende“ heißt insbesonde-
Wenn man die Statements des neuen
Längst ist klar: Unser Verkehrssystem re, auf treibhausgasneutrale und
Bundesverkehrsministers liest, muss
ist nicht zukunftsfähig. Unser Planet energieeffiziente Mobilität umzustei-
man eine weitere verlorene Legisla -
verkraftet nicht, dass alle in gleicher gen. Der nach wie vor unanständig
turperiode befürchten. Dabei sind die
Herausforderungen zukünftiger Mo -
bilität viel zu wichtig, um einfach so
weiterzuwurschteln wie bisher. Als
moderne Gesellschaft und Wirt -
schafts nation sind wir darauf ange-
wiesen, viele Personen und Waren
effizient zu transportieren. Doch die
Art und Weise, wie wir uns und unse-
re Güter und Waren bewegen, muss
sich grundlegend ändern. Nicht nur
angesichts langer Staus, schlechter
Luft und immensen Flächenver -
brauchs. Verkehr ist Kernthema des
globalen Klimaschutzes. In der EU ist
der Verkehr für ein Viertel aller CO2-
Emissionen verantwortlich und der
einzige Sektor, in dem sie seit 1990
gestiegen sind. In Paris hat die
Staatengemeinschaft vereinbart, dass
Dr. Anton Hofreiter ist seit 2005 Mitglied des Bundestages. Von 2011 bis 2013 war er
der Verkehr komplett treibhausgas-
Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; seit Oktober 2013 ist
neutral werden muss. Und das bis er Vorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
2050.
Diese Herausforderung wird von der Weise fahren wie wir. 80 Prozent der hohe Kraftstoffverbrauch von Autos
Bundesregierung bis jetzt ignoriert. CO2-Emissionen im Personenverkehr und Lkw muss abnehmen und auf
Der Abgasskandal soll offenbar weiter werden von Autos verursacht. Die erneuerbare Energie umgestellt wer-
ausgesessen werden. Verkehrsteil - Ver kehrsszene – seien es Wissen - den. Es gilt, Bahn und ÖPNV zu
nehmer gewöhnen sich an den kat- schaftler, Verbände oder Politik – modernisieren und deutlich attrakti-
astrophalen Zustand von Straßen, redet seit Jahren über nachhaltige ver zu machen. Auf kürzeren Distan -
Schienen und Brücken oder das Mobilität, vernetzte Verkehrssysteme zen – die ja den Hauptanteil unserer

zbi nachrichten 2/3-18 3