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Ingenieure in der Wirtschaft



             Zukunft der HOAI: Angemessenheit und Mittelsatz

             Argumentationspapier der Architekten und Ingenieure




           N      achdem  der  Europäische  Ge -  zwar sowohl nach oben als auch nach  hin  angemessen  zu  vergüten,  würde
                                                                                                    5
                                               unten.  Es  gibt  keinen  ersichtlichen
                  richtshof in seinem Urteil vom
                                                                                  Rechnung  getragen .  Kommunen
                  4. Juli festgestellt hat, dass die
            verbindlichen  Mindest-  und  Höchst -  Grund,  von  dieser  materiell-recht-  könnten sich dann nicht mehr hinter
                                                                                  dem angeblichen Preissenkungsdruck
                                               lichen Anforderung bei Planern abzu-
            honorarsätze der HOAI nicht mit dem  weichen.  Kein  Gesichtspunkt  hierfür  der  Prüfungsämter  und  Rech nungs -
            EU-Recht vereinbar sind, besteht drin-  darf  sein,  dass  die  Vergabe  von  höfe verstecken.
            gender  Handlungsbedarf.  Diskutiert  Planerleistungen in der Praxis häufiger
                                                                                  §77 Abs. 2 VgV schreibt bei Verlan -
            werden  derzeit  Regelungen  in  An -  vorkommt als bei StB und RA, schon
                                                                                  gen  von  Lösungsvorschlägen  bereits
            lehnung  an  vergleichbare  Hono rar -  deshalb  nicht,  weil  die  HOAI  auch
                                                                                  derzeit eine angemessene Vergütung
            ordnungen,  wie  beispielsweise  die  außerhalb  von  Vergabeverfahren
                                                                                  vor.  Dieser  gesetzliche  Grundsatz
            Steuerberatervergütungsverordnung  „gilt“  (siehe  auch  unten  7.).    Auch
                                                                                  muss auch und erst recht bei endgül-
            (StBVV).  Nach  dieser  würde  es  einen  §32 UrhG zeigt, dass der unbestimm-
            verordneten  Regelsatz  geben,  von  te  Rechtsbegriff  „angemessene  Ver -
            dem aber vertraglich abgewichen wer -  gütung” bereits derzeit nicht un üblich
            den  könnte.  Die  EU-Kommission  hat  ist  und  damit  umgegangen  werden  1  EuGH-Urteil zum Vorbringen der Bundesregie-
                                                                                     rung, Rn 46: „Werde ein bestimmtes Preisni-
            bei  den  Steuerberatern  diese  Lö sung  kann (nach § 32 Abs. 1 UrhG hat der  veau  unterschritten,  könne  davon  ausgegan-
            grundsätzlich  akzeptiert.  Seitens  der  Urheber Anspruch auf eine nach Art  gen  werden,  dass  dieser  Preis  nur  durch  ein
                                                                                     niedrigeres  Qualitätsniveau  der  Leistungen
            Architekten-  und  Ingenieurver bän de  und Umfang der Werk nutzung ange-  erreicht werden könne.“
                                                                                     Rn 48: „Durch die gesetzliche Festsetzung von
            sowie -kammern wird daher fol gende  messene Vergütung).
                                                                                     Mindestpreisen  werde  der  Preis  als  Wettbe-
            Argumentationslinie präferiert:                                          werbsfaktor  in  seiner  Bedeutung  redu ziert,
                                               Die  EU-rechtliche  Zulässigkeit  eines  was es ermögliche, dieser Erosion der Qualität
                                                                                     der Leistungen entgegenzuwirken.“
            Angemessenheit                     Angemessenheitsvorbehalts  wurde      Rn 53: „Schließlich wendet sich die Bundesre-
                                               gutachterlich  bestätigt  (Redeker-   publik Deutschland gegen die Alternative der
                                                                                     Veröffentlichung  von  Informationen  über  die
            Die  Bundesregierung  hat  sich  mit  Gutachten,  Unionsrechtskonformität  üblichen  Preise  als  Anhaltspunkte  für  die
            Unterstützung  der  Bundesländer   einer  etwaigen  HOAI-Änderung,  Rn   marktübliche  Praxis.  Diese  würde  nicht  das
                                                                                     Problem  der  Informationsasymmetrie  lösen
            gegenüber  der  EU-Kommission  und  42-44).                              und sogar die „Abwärtsspirale der Preise“ ver-
            vor  dem  EuGH  sehr  stark  für  den                                    stärken.“
                                                                                     Rn  76:  „Was  erstens  die  Eignung  der  HOAI
            Erhalt der verbindlichen Mindest- und  Ein  Angemessenheitsvorbehalt  wäre  betrifft,  die  angestrebten  Ziele  zu  erreichen,
            Höchstsätze  engagiert.  Ein  wesentli-  eine Unterstützung der Bauämter, die  macht  die  Bundesrepublik  Deutschland  gel-
                                                                                     tend,  dass  aufgrund  des  zwischen  dem  Preis
            ches  Argument  der  Bundesregierung  das  wirtschaftlichste  Angebot  unter  einer Dienstleistung und deren Qualität beste-
                                                                                     henden Zusammenhangs die Festsetzung von
            war, dass es ohne verbindliches Preis -  Berücksichtigung  des  Leistungswett -  Mindestpreisen  zur  Erreichung  des  Ziels,  eine
            recht zu einem Preisverfall auf Kosten  bewerbs  bezuschlagen  wollen,  ge -  hohe  Qualität  der  erbrachten  Leistungen
                                                                                     sicherzustellen, geeignet sei.“
            der  Planungsqualität  kommen  könn-  gen über  Kämmerern,  die  ausschließ-  2   EuGH-Urteil – Begründung: Rn 82: „In diesem
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            te .  Genau  dieser  Gesichtspunkt  ist  lich nach dem zunächst am günstig-  Zusammenhang  kann  die  Festsetzung  von
                                                                                     Mindestpreisen  dazu  beizutragen,  diese
            vom  EuGH  ausdrücklich  anerkannt  sten erscheinenden Preis gehen, ohne  Gefahr zu begrenzen, indem verhindert wird,
                                                                                     dass Leistungen zu Preisen angeboten werden,
                  2
            worden .  Sollte  die  Argumentation  die Zusammenhänge und die Beson -  die langfristig nicht die Qualität dieser Leistun-
            Deutschlands im Vertragsverletzungs -  derheiten  bei  der  Vergabe  von  Pla -  gen gewährleisten können.“ „Rn 83: Darüber
                                                                                     hinaus  hat  die  Bundesrepublik  Deutschland
            verfahren  nicht  nur  vorgeschoben,  nungsleistungen  zu  verstehen  (Le -  verschiedene  Studien  vorgelegt,  die  ihren
            sondern ernst gemeint gewesen sein,  bens zykluskosten;  Wer  billig  plant,  Standpunkt  untermauern,  wonach  in  einem
                                                                                     Markt  wie  dem  deutschen,  der  durch  eine
            wäre  es  nicht  nachvollziehbar,  wenn  baut  teuer).  So  beanstandet  der  große Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen
                                                                                     gekennzeichnet ist, die Festsetzung von Min-
            sich  Bund  und  Länder  gegen  eine  Thüringer  Rechnungshof  auf  Seite  7  destpreisen für Planungsleistungen eine geeig-
            Regelung  aussprechen,  die  europa-  seines Berichts zur Vergabe von Bau -  nete  Maßnahme  sein  kann,  um  eine  hohe
                                                                                     Qualität  der  erbrachten  Leistungen  sicherzu-
            rechtlich  zulässig  wäre  und  zugleich  leistungen  (Haushaltsjahre  2010  bis  stellen.“
            einem  ungehemmten  Herabsinken    2014),  dass  in  den  geprüften  Ver -  3   §  4  Abs.  2  StBVV  (Angemessenheit  nach
                                                                                     oben),  §  4  Abs.  3  StBVV  (Angemessenheit
            der  Honorare  mit  den  befürchteten  gabe verfahren  allein  der  Preis  über  nach unten)
                                                                                  4  §  3a  Abs.  2  RVG  (unangemessen  hoch);  §  4
            Folgen entgegenwirken soll.        den Zuschlag entschieden habe. Es ist  Abs. 1 RVG (unangemessen niedrig)
                                               nicht davon auszugehen, dass dies bei  5  GPA-Mitteilung  Bau  1/2019“  der  Gemeinde-
            Angemessenheit  ist  vorgesehen  in                                      prüfungsanstalt  Baden-Württemberg  vom
                                               Planungsleistungen anders ist.        29.07.2019  an  alle  Kommunen  in  Baden-
            ver gleichbaren  Honorarordnungen                                        Württemberg. Auf deren Seite 10 wird darauf
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            (Steuerberatervergütungsverordnung ,  Der Aufforderung der Gemeindeprü -  hingewiesen, dass die Kommunen darauf ach-
                                                                                     ten sollten, „angemessene Honorare“ zu ver-
                                      4
            Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ) und  fungsämter, Architekten auch weiter-  einbaren.
            zbi nachrichten 5/6-19                                                                            5
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