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Ingenieure in der Gesellschaft



             Wie verändert Corona unsere Mobilität?

             Verkehrsmittelnutzung, Einkaufs-, Arbeits- und Reiseverhalten




           D      as  Institut  für  Verkehrsfor -  das  Unwohlsein  in  der  aktuellen  ne.  Darunter  sind  viele  unter  35
                                               Situation.  Rund  ein  Drittel  der
                                                                                  Jahren,  die  auch  vorher  oft  im
                  schung  des  Deutschen  Zen -
                  trums  für  Luft-  und  Raum -
                                               nen PKW (in Deutschland etwas mehr
            fahrt (DLR) hat in einer Studie unter-  Befragten aus Haushalten ohne eige-  Internet bestellt haben. Zu den aktuell
                                                                                  online  am  häufigsten  gekauften
            sucht, wie sich die Coronakrise auf das  als 20 Prozent) vermissen derzeit das  Produkten  zählen  Drogerieartikel,
            Mobilitätsverhalten  der  deutschen  Auto  als  Verkehrsmittel.  Sechs  Pro -  Bekleidung und Medikamente.
            Bevölkerung  auswirkt.  Das  DLR  be -  zent  der  Haushalte  ohne  eigenen
            fragte dazu 1.000 Personen zwischen  PKW  geben  an,  aufgrund  der  Ver -  Privatreisen und Sommerurlaub
            18 und 82 Jahren. Die Forscherinnen  breitung  des  Coronavirus  über  die  stark eingeschränkt
            und  Forscher  interessierten  sich  vor  Anschaffung  eines  Pkw  nachzuden-
                                                                                  Ein  Drittel  der  Befragten  hat  in  der
            allem dafür, welche Verkehrsmittel die  ken. Generell erwägen neun Prozent
                                                                                  Zeit  von  Mitte  März  bis  Ende  April
            Befragten in der Krise nutzen und wie  aller  Befragten  den  Kauf  eines  2020  auf  private  Reisen  mit  minde-
            wohl sie sich dabei fühlten. Außer dem  Fahrrads oder Elektrofahrrads.
                                                                                  stens  einer  Übernachtung  verzichtet.
            ermittelten  sie,  wie  sich  das  Mobili -
                                               „Im  Kontext  der  Corona-Krise  kann  Dazu  zählen  zum  Beispiel  Urlaube
            täts verhalten  in  den  Lebensbe reichen
                                               man durchaus von einem ‚Revival‘ des  oder der Besuch von Verwandten und
            Einkaufen, Reisen, Arbeit und Freizeit
                                               Privatautos sprechen. Das Gefühl der  Freunden.  Mehr  als  vierzig  Prozent
            durch die Pandemie geändert hat.
                                               eigenen Sicherheit scheint aktuell die  hatten  vor  der  Coronakrise  bereits
            „Es  ist  eindeutig,  dass  die  Corona -  Auswahl des Verkehrsmittels stark zu  einen  Sommerurlaub  geplant  und
            pandemie  unser  Mobilitätsverhalten  beeinflussen“,  so  Institutsdirektorin  knapp  die  Hälfte  davon  bereits
            grund legend verändert. Insbesondere  Lenz  weiter.  „Überraschender  Weise  gebucht.   Zum   Zeitpunkt   der
            die  öffentlichen  Verkehrsmittel  müs-  vermissen  besonders  viele  junge  Befragung waren zwei Drittel optimi-
            sen  eine  Durststrecke  überbrücken  Städter in dieser Situation das eigene  stisch,  den  geplanten  Sommerurlaub
            und  brauchen  Unterstützung.  Vieles  Fahrzeug.  Ob  diese  Entwicklungen  anzutreten,  rund  ein  Viertel  wollte
            weist darauf hin, dass Auto und auch  auch in der Zeit nach Corona anhal-  oder hatte bereits storniert.
            Fahrrad  als  Gewinner  aus  der  Krise  ten, wird nicht nur für uns Forschende
            hervorgehen  werden“,  fasst  Prof.  spannend zu beobachten sein“, sagt  Arbeitswege und Mobilität in
            Barbara  Lenz,  Direktorin  des  DLR-  Barbara Lenz.                  der Freizeit
            Instituts  für  Verkehrsforschung,  zu -                              Weniger  als  die  Hälfte  der  Erwerbs -
            sammen.                            Sechs von zehn gehen seltener      tätigen  unter  den  Befragten  geht
                                               einkaufen
                                                                                  genauso häufig an den Arbeitsort wie
            Wohlfühlfaktor: Auto ge winnt,     Seit  Beginn  der  Pandemie  kaufen  vor der Krise. Für den Weg zur Arbeit
            Öffentliche verlieren
                                               sechzig  Prozent  der  Befragten  selte-  nutzen davon mehr als 70 Prozent das
            Der  privat  genutzte  PKW  weist  ner für den täglichen Bedarf ein. Ein  Privatauto, 14 Prozent fahren Rad, 12
            gegenüber  anderen  Verkehrsmitteln  weiteres Drittel geht genauso häufig  Prozent nehmen Bus oder Bahn und
            aktuell  einen  deutlichen  Wohlfühl -  einkaufen  wie  zuvor  und  nur  fünf  neun Prozent gehen zu Fuß. Rund die
            faktor auf. Fast alle Befragten gaben  Prozent  verzichten  komplett  auf  Hälfte  aller  Befragten  hat  das  Haus
            an, sich im Auto wohler oder genauso  Einkäufe. Alter und Wohnort spielen  zudem  innerhalb  der  letzten  Woche
            wohl zu fühlen wie vor der Krise. Das  dabei  kaum  eine  Rolle.  Die  große  für  sonstige  Wege  verlassen,  bei-
            ist bei keinem anderen Verkehrsmittel  Mehrzahl  bleibt  den  gewohnten  spielsweise  für  Sport  im  Freien,
            der  Fall.  Zu  den  großen  Verlierern  Supermärkten  und  Geschäften  treu  Arzttermine  oder  Besuche.  Junge
            gehören  alle  öffentlichen  Verkehrs -  und nutzt für die Fahrt zum Einkaufen  Erwachsene  zwischen  18  und  24
            mittel.  Ob  Nahverkehr,  Fernverkehr,  das  Auto.  Drei  von  zehn  Befragten  Jahren  sind  dabei  aktiver  als  andere
            Carsharing  oder  Flugzeug:  Die  Nut -  gehen  zudem  für  andere  Personen  Altersgruppen. Fast 80 Prozent haben
            zung  bricht  ein,  gleichzeitig  fühlen  einkaufen.  Bei  der  Altersgruppe  der  für solche Aktivitäten das Haus verlas-
            sich die Menschen deutlich unwohler  jungen  Erwachsenen  zwischen  18  sen.  Meist  unternehmen  die  Be -
            bei  der  Nutzung  oder  bei  der  Vor -  und  24  Jahren  beträgt  dieser  Anteil  fragten  Aktivitäten  im  Freien,  wie
            stellung, sie zu nutzen. Je häufiger sie  mehr als die Hälfte.        Sport,  Spaziergänge  oder  Garten -
            den öffentlichen Nahverkehr im nor-                                   arbeit.
                                               Ein  Viertel  aller  Befragten  shoppen
            malen  Alltag  nutzen,  desto  größter  aufgrund  von  Corona  vermehrt  onli-                  (DLR)



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