Page 13 - ZBI-Nachrichten 5-6/2019
P. 13
Ingenieure in der Gesellschaft
Ehrenamtliches Engagement in Deutschland deutlich gestiegen
Wichtig sind die Rahmenbedingungen
F ast jede dritte in Deutschland boomer-Generation denkt, die in den deutlich kleiner geworden. Markant
sind hingegen die Unterschiede zwi-
kommenden Jahren nach und nach
lebende Person ab 17 Jahren –
insgesamt also rund 22 Mil -
kleineren Kommunen 37 Prozent der
lionen – engagiert sich ehrenamtlich. aus dem Erwerbsleben ausscheiden schen Stadt und Land: Während in
wird“, ergänzt Schupp.
Der Anteil der ehrenamtlich Aktiven Menschen ehrenamtlich aktiv ist, sind
Insgesamt ist die Engagementquote
lag im Jahr 2017 bei rund 32 Prozent es in Großstädten 26 Prozent. Auch
der 60- bis 76-Jährigen in Deutsch -
und damit um fünf Prozentpunkte der Bildungsabschluss spielt eine
land in den vergangenen fast 30 Jah -
höher als im Jahr 1990. Sowohl junge Rolle: Je höher dieser ist, desto wahr-
ren um elf Prozentpunkte auf 33 Pro -
Erwachsene als auch Rentnerinnen scheinlicher engagiert sich eine Per -
zent geklettert. Selbst unter den min-
und Rentner sind zunehmend bereit, son ehrenamtlich.
destens 77-Jährigen ist mit 23 Prozent
beispielsweise in Vereinen, Initiativen
noch fast jede vierte Person ehren- Die Wertschätzung für Ehrenämter ist
oder der Flüchtlingshilfe freiwillig mit
amtlich aktiv. Doch es sind bei weitem in den vergangenen Jahren deutlich
anzupacken. Das sind zentrale Ergeb -
nicht nur die Älteren, die für das stei- gestiegen, sowohl in der Gesellschaft
nisse einer Studie des Deutschen
gende ehrenamtliche Engagement in als auch seitens der Politik. Doch das
Instituts für Wirtschaftsforschung
Deutschland verantwortlich sind: Potential, dass offenbar quer über alle
(DIW Berlin), die auf repräsentativen
Altersgruppen hinweg immer mehr
Daten des Sozio-oekonomischen Pa -
Menschen bereit sind, ihre freie Zeit in
nels (SOEP) basiert.
„Dort, wo der Sozialstaat ge - ein Ehrenamt zu stecken, könnte
Im Generationenvergleich stechen fragt ist, muss er auch künftig noch besser genutzt werden, so die
insbesondere die 68er, also die in den seiner Verantwortung nach- Autorin und der Autor. „Wichtig sind
kommen. Den vielen ehren-
Jahren 1941 bis 1954 Geborenen, Rahmenbedingungen, die es allen
amtlich Aktiven sollte nicht
her vor. Stärker als vorherige Gene - Menschen unabhängig von Alter,
das Gefühl gegeben werden,
rationen sind sie auch nach dem Geschlecht, Bildung, Einkommen
dass eigentlich staatliche Auf -
Renteneintritt ehrenamtlich aktiv: oder Herkunft ermöglichen, sich zu
gaben rein aus Kostengründen
Betrachtet man die Zeitspanne von engagieren, wenn sie es denn möch-
auf sie abgewälzt werden.“
drei Jahren vor dem Renteneintritt bis ten“, so Burkhardt. Eine Pflicht zum
drei Jahre nach dem Renteneintritt, Luise Burkhardt, Studienautorin Engagement, wie sie mitunter bei-
bleiben gut 29 Prozent dieser Gene - spielsweise für junge Erwachsene
ration durchgehend engagiert; knapp diskutiert wird, sei hingegen nicht
Ehrenamtliches Engagement
13 Prozent nehmen sogar ein Ehren - bei jungen Menschen nimmt zu zielführend.
amt erstmals oder erneut auf. Diese
Entsprechende Angebote sollten also
Werte liegen deutlich über denen der Besonders stark zugenommen hat flexibel und niedrigschwellig sein.
Kriegsgeneration (Geburtsjahrgänge auch der Anteil der ehrenamtlich täti-
Ratsam sei zudem der Ausbau gesell-
1908 bis 1930) und der Nach kriegs - gen Schülerinnen und Schüler ab 17
schaftlich sinnvoller Einsatzfelder für
generation (Geburtsjahrgänge 1931 Jahren – von 27 Prozent im Jahr der
Ehrenamtliche, beispielsweise im digi-
bis 1940). Wiedervereinigung auf 46 Prozent im
talen Bereich, sowie entsprechende
Jahr 2017. Und auch bei den jungen
„Dass sich immer mehr Menschen Strukturen und Informationsangebote
Erwachsenen im Alter von 17 bis 29
auch in hohem Alter bester Gesund - als Unterstützung, so Schupp. Dabei
Jahren geht der Trend klar nach oben,
heit erfreuen, das Bildungsniveau im dürfe, ergänzt Burkhardt, dem Ehren -
jede dritte Person dieser Gruppe
Durchschnitt steigt und im gesell- amt aber keine „Lückenbüßer funk -
engagiert sich. Am höchsten liegt die
schaftlichen und politischen Diskurs tion“ zufallen: „Dort, wo der Sozial -
Quote der Engagierten im mittleren
das Thema Altern viel positiver be - staat gefragt ist, muss er auch künftig
Lebensalter (30 bis 59 Jahre).
setzt ist – all das kommt dem ehren- seiner Verantwortung nachkommen.
amtlichen Engagement zu Gute“, Die Unterschiede beim Anteil der Den vielen ehrenamtlich Aktiven sollte
sagt Luise Burkhardt, die die Studie ehrenamtlich Aktiven zwischen Frau - nicht das Gefühl gegeben werden,
gemeinsam mit Jürgen Schupp ver- en (30 Prozent) und Männern (33 dass eigentlich staatliche Aufgaben
fasst hat. „In dieser Entwicklung liegt Prozent) sowie zwischen Ostdeutsch - rein aus Kostengründen auf sie abge-
ein großes Potential für die Gesell - land (28 Prozent) und Westdeutsch - wälzt werden.“
schaft, wenn man an die Baby - land (33 Prozent) sind über die Jahre (DIW)
zbi nachrichten 5/6-19 13