Page 5 - ZBI-Nachrichten 4-2020
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Ingenieure in der Wirtschaft
Europa braucht eine digitale Souveränität
Von Heinz Leymann, Vizepräsident des ZBI
I m globalen digitalen Wettbewerb Sicherheitsstabilität zu sorgen. Bei - erlangen. Dies gilt insbesondere für
spielsweise wäre eine Europäische
die Bereiche Künstliche Intelligenz,
verliert Europa nach Auffassung
der IfKom – Ingenieure für Kom -
Bürgerinnen und Bürgern daten-
ger-Technologie (DLT), Robotik und
munikation immer mehr den An - Cloud (ECloud) sinnvoll, die unseren Quantencomputer, Distributed-Led -
schluss. Ein Indiz dafür ist, dass sich schutzrechtliches Vertrauen bietet. Biotechnologie. Es muss in Forschung
die ersten fünfzehn führenden Digi - Mit dieser sichern wir einen Daten - und Entwicklung investiert werden
talunternehmen nicht im europäi- verkehr, der vor Spionage und Sabo - und es bedarf der engen Zusam -
schen Raum befinden. Zudem gera-
ten wir immer mehr in wachsende
Abhängigkeit von ausländischer Soft -
ware, Hardware und Cloud-Diensten
sowie führenden digitalen Plattfor -
men. Die Folge wäre, Europa ist vom
nächsten technologischen Entwick -
lungs schritt abgeschnitten. Auch be -
steht die Gefahr, dass europäische
Grundwerte und Traditionen sowie
Qualitätsstandards untergraben wer-
den. Der Einfluss auf unseren Wohl -
stand und auf unsere Privatsphäre mit
all den hiermit verbundenen Sicher -
heits aspekten sind nicht zu unter-
schätzen.
Aus der Sicht der IfKom e.V. brauchen
wir eine europäisch digitale Souverä -
Dipl.-Ing. Heinz Leymann ist Vizepräsident des Zentralver bandes der Ingenieurvereine (ZBI)
nität im Interesse der Bürgerinnen
und Bundesvorsitzender der IfKom – Ingenieure für Kommunikation e.V., dem Berufs -
und Bürger und der demokratischen verband der technischen Fach- und Führungskräfte in der Kommunikationswirtschaft.
Politik, um den digitalen Wandel vor-
anzutreiben, was unabdingbar ist.
tage schützt. Vor diesem Hintergrund menarbeit mit Wirtschaftsverbänden
Dies soll nicht bedeuten, ganz auf
fordern die IfKom ein Zentrum für und Initiativen. Europa braucht strate-
außereuropäische Technologien zu
eine ECloud, die sich an den Prinzi - gische Investitionen in zukunftsorien-
verzichten. Für ein Wirtschafts wachs -
pien einer Open Source-Basis orien- tierten Technologien, wie beispiels-
tum in Europa ist die internationale
tiert. Wegen der zentralen Lage wäre weise flächendeckende 5G- und
Zusammenarbeit im Hinblick auf den
Deutschland hierfür prädestiniert. Giga bit-Netze sowie digitale Ferti -
freien Datenfluss und den internatio-
Eine ECloud in Deutschland stärkt gungen von industriellen Schlüssel -
nalen Handel mit vertrauenswürdigen
durch die Ansiedlung innovativer sek toren in umweltfreundliche Res -
Partnern zwingend erforderlich. Bei
Unter nehmen das heimische wirt- sourcen, um eine nachhaltige kohlen-
Einfuhr nicht-europäischer Techno -
schaftliche Ökosystem. Zudem be - stoffarme und schließlich kohlenstoff-
logien und Dienstleistungen sind ethi-
günstigt die ECloud den Bereich freie Wirtschaft zu erreichen.
sche, technologische und sicherheits-
Wissenschaft und Forschung. For -
relevante Standards festzulegen.
schungsinstitute und Hochschulen Um einen digitalen Wandel voranzu-
Die IfKom fordern mehr Investitionen könnten anwendungs- und praxisbe- treiben, ist eine entsprechende digita-
für einen europäisch digitalen Binnen - zogen zusammenarbeiten. Das wirt- le Bildung für die kommende Gene -
markt. Es ist Aufgabe der Politik, schaftliche Ökosystem und die wis- ration von Forschern und Unter -
Anreize für eine Verbesserung der senschaftlichen Ökosysteme würden nehmern unerlässlich durch Schaf -
digitalen Infrastruktur zu schaffen, dabei voneinander profitieren. fung von mehr Lehrstühlen an euro-
den Missbrauch von Marktmacht in päischen Universitäten und Bereit -
der digitalen Wirtschaft wirksam ein- Neben China und USA muss Europa stellung der hierfür erforderlichen
zudämmen und für eine Cyber- eine strategisch digitale Autonomie Mittel.
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