Page 11 - ZBI-Nachrichten 4/2017
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Ingenieure in der Wirtschaft
Die Herausforderungen der Digitalisierung
Von Wilfried Grunau, Präsident des ZBI
D ie Digitalisierung stellt uns, bereits Leitlinien und Regelwerke und Dies gilt für einzelne Menschen eben-
unsere Gesellschaft und die
es gibt zahllose Weiterbildungs ver -
so wie für Unternehmen und Orga -
Arbeitswelt vor große Her -
nage mentdenker Peter Drucker hat
aus forderungen. Damit verbunden ist anstaltungen wie auch eine wachsen- nisationen. Der Ökonom und Ma -
de Anzahl an Fachliteratur dazu. Im
ein Transformationsprozess, der nicht Grunde genommen geht es – bei- bereits vor rund 60 Jahren in seinem
rein wirtschaftlich-technologischer, spielsweise in den Bereichen Infra - Standardwerk „Landmarks of Tomor -
sondern gesamtgesellschaftlicher struktur und Vernetzung – „nur“ row“ den Aufstieg der Wissens -
Natur ist. Egal, ob es um die tägliche darum, alles datentechnisch zu ver- gesellschaft beschrieben und damit,
Kommunikation, die Gesundheitsver - binden und in der Wertschöpfungs - seiner Zeit weit voraus, eine noch
sorgung oder den Bildungsbereich kette Bau darum, Kosten zu senken heute gültige fundamentale Heraus -
geht: Die Digitalisierung verändert und auf diese Weise Produktions - forderung für den Umgang mit der
Schritt für Schritt unser gesamtes pri- gewinne zu realisieren. digitalen Transformation formuliert:
vates und berufliches Umfeld. Sie die Neugestaltung der Arbeitsum -
eröffnet viele neue Chancen, birgt Soweit so gut und ingenieurtechnisch felder durch Förderung von Maß -
aber durchaus auch Risiken und oder wirtschaftlich gesehen sicherlich nahmen zur Generierung neuen
weckt Ängste, die wir ernst nehmen Wissens. Drucker sah bereits 1959
müssen. „die Gefahr, dass die (…) Gesellschaft
zu einer Klassengesellschaft wird,
Bei der Digitalisierung geht es im wenn die Dienstleistungsarbeiter
Wesentlichen um die digitale Ver - nicht zu Einkommen und Ansehen
netzung von Informationen. Die span- gelangen.“ Und weiter: „Jeder kann
nende Herausforderung liegt hinge- sich die 'Produktionsmittel', also das
gen in der Frage, wie die digitale für eine Aufgabe erforderliche Wissen
Transformation systematisch in die aneignen, aber nicht jeder kann
Gesellschaft implementiert werden gewinnen.“
kann. Die neuen digitalen Techno -
logien bieten völlig andere Dimen - Welche digitalen Kompetenzen müs-
sionen der Informationsverfügbarkeit sen Menschen in der Arbeitswelt
und radikal neue Möglichkeiten der haben oder erwerben, als Arbeit -
Vernetzung – nicht umsonst wird in nehmer wie auch als Arbeitgeber?
diesem Kontext von einer disruptiven Wie können Schulen, Hochschulen
Innovation gesprochen. Cloud Com - Dipl.-Ing. Wilfried Grunau ist seit 2014 und Universitäten den Lernenden
puting, Big Data, Sharing Economy, Präsident des Zentralverbandes der Inge - diese nötige digitale Kompetenz ver-
dezentrale und individualisierte Ferti - nieurvereine (ZBI) sowie seit 1993 Präsi - mitteln? Und wie verhindern wir, dass
gungstechniken, wie auch autonome dent des Verbandes Deutscher Vermes - die Digitalisierung digitale Gewinner
Systeme stehen als Schlagwörter sungs ingenieure (VDV). und Verlierer hervorbringt? Allein
dafür. Die Antwort auf diese Kom - diese Fragen zeigen: Der digitale
plexität kann nur vernetztes Arbeiten ein lösbares Unterfangen. Wenn da Wandel bringt Herausforderungen
lauten, d.h. die kooperative und kol- nicht noch ein paar weitere Pro - mit sich, die uns alle betreffen und die
lektive Zusammenarbeit im Team blemfelder wären, die weniger die wir gemeinsam beantworten müssen,
(„Kollaboration“) muss zwingend technische Seite, sondern vielmehr um die Digitalisierung für die
eine Kernkompetenz werden. Auch die Wechselwirkung auf die Sozialge - Menschen, für Wirtschaft und Arbeit
unser Berufsfeld befindet sich durch sellschaft in den Vordergrund rückt. gleichermaßen fair zu gestalten. Fest
die Digitalisierung im Umbruch. Hier geht es z.B. um Unternehmens - steht, dass Digitale Kompetenzen
Fachlich gesehen wird dies im Bereich kultur und Kompetenzen, es geht um heutzutage unerlässlich sind für mehr
der Geodäsie beispielsweise über die Einstellungen und Verhaltensweisen, digitale Teilhabe und damit auch für
Themenfelder BIM, Smart City oder es geht um das, was Arbeit prägt. Ein gesellschaftliche Teilhabe. In einem
auch Smart Country realisiert. Ge - zentrales Element ist hier z.B. die Dialogprozess für ein grundlegendes
mein same Arbeitskreise der Berufs- Bereitschaft zu lernen und eigene Weißbuch zum Thema „Arbeiten
und Fachorganisationen entwickeln Kompetenzen weiterzuentwickeln. 4.0“, den das Bundesministerium für
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