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Ingenieure in der Gesellschaft



            Klimaneutralität: Elektrifizierung kostengünstigster und
              effizientester Weg


            Studie vergleicht drei Szenarien zur Schaffung einer fossilfreien Energieversorgung

           D       er zügige Ausbau erneuerba-  ser stoff oder grüne synthetische Gase  entfielen bei einer direkten Strom nut -
                                                                                  zung.  Auch  beim  Gesamt wirkungs -
                   rer Energien und eine darauf
                                               der  jeweils  dominante  klimafreundli-
                   aufbauende,  weitgehende
            Elektrifizierung  aller  Wirtschaftsbe -  che Energie träger sind.    grad, also dem Verhältnis der schlus-
                                                                                  sendlich nutzbaren und primär zuge-
                                               Dabei  zeigt  sich,  dass  nicht  nur  im
            reiche  ist  die  kostengünstigste  Op -                              führten Energie, ist elektrischer Strom
                                               Falle  einer  weitgehenden  Elektrifizie -
            tion,  Klimaneutralität  in  Europa  zu                               seiner gasförmigen Kon kurrenz über-
                                               rung ein massiver Zubau erneuerbarer
            erreichen.  Das  ist  das  zentrale  Er -                             legen.  Im  Verkehrssektor  etwa  liegt
                                               Energien  erforderlich  ist,  sondern
            gebnis einer gemeinsamen Studie des                                   dieser für elektrischen Strom bei vor-
                                               auch bei gasförmigen Energieträgern:
            Deutschen  Instituts  für  Wirtschafts -                              aussichtlich  78  Prozent,  für  Wasser -
                                               „Solange  nicht  genügend  Strom  aus
            forschung  (DIW  Berlin)  und  der                                    stoff und synthetische Gase hingegen
                                               erneuerbaren Quellen zur Verfügung
            Brüsseler Denkfabrik Bruegel.                                         jeweils nur knapp über 40 Prozent.
                                               steht,  können  Wasserstoff  und  syn-
            „Um  Klimaneutralität  zu  erreichen,  thetische Gase keine dominante Rolle  „Sicherlich  werden  auch  gasförmige
            muss die Stromerzeugung aus erneu-  in  einem  nachhaltigen  Energiemix  Energieträger eine Rolle im zukünfti-
            erbaren  Energien  massiv  ausgebaut  spielen.  Wenn  nachhaltig  produzier-  gen  Energiemix  spielen,  da  sie  den
            werden“,  sagt  Studienautorin  Fran -  ter  Strom  erst  noch  in  grünen  großen  Vorteil  bieten,  kurzfristige
            ziska Holz. „Noch wird diskutiert, wel-  Wasserstoff  oder  grüne  synthetische  Schwankungen  bei  der  Stromerzeu -
            che  Energieträger  sich  zukünftig  Gase  umgewandelt  wird,  statt  ihn  gung aus erneuerbaren Energien aus-
            durchsetzen  werden.  Unsere  Studie  direkt zu nutzen, ist das Ganze letzt-  gleichen  zu  können.  Dennoch  sollte
            zeigt,  dass  die  direkte  Nutzung  von  lich  auch  deutlich  teurer“,  so  Stu -  der  Fokus  der  Politik  nun  darauf  lie-
            Strom  aus  Erneuerbaren  für  End -  dienautorin Claudia Kemfert.    gen, Rahmenbedingungen zu setzen,
            verbraucher  wie  Unternehmen  und                                    die die für eine weitgehende Elektri -
                                               Im  Kostenvergleich  erweist  sich  das
            Haushalte  kostengünstiger  und  effi-                                fizierung  notwendigen  Investitionen
                                               Szenario,  das  auf  eine  direkte  Elek -
            zienter  ist  als  eine  indirekte  Elektrifi -                       attraktiv machen“, sagt Georg Zach -
                                               trifizierung  mit  grünem  Strom  setzt,
            zierung, etwa über synthetische Gase                                  mann, Ko-Autor von Bruegel. Dies er -
                                               daher  als  beste  Option.  Nicht  nur
            oder Wasserstoff.“                                                    fordere insbesondere klare Signale an
                                               wäre der Aufwand in der Energie pro -
                                                                                  die  Endverbraucher,  dass  sich  die
            Bis  2050  will  die  Europäische  Union  duktion deutlich niedriger als bei der
                                                                                  größ tenteils  bei  ihnen  anfallenden
            (EU)  klimaneutral  sein.  Dafür  ist  es  Herstellung  gasförmiger  Energie trä -
                                                                                  Investitionen für sie rentieren werden.
            erforderlich, den momentanen Anteil  ger.  Auch  die  hohen  Investitions kos -
                                                                                  Darüber hinaus brauche es auch eine
            fossiler Brennstoffe wie Erdöl, Erdgas  ten, insbesondere in Bezug auf die für
                                                                                  zeitnahe Abkehr von fossilen Energie -
            oder Kohle am europäischen Energie -  einen  flächendeckenden  Einsatz  von
                                                                                  trägern, so die StudienautorInnen.
            mix  drastisch  zu  reduzieren.  Dieser  Wasserstoff und synthetischen Gasen
            beträgt  momentan  75  Prozent,  wo -  notwendige  Erzeugungsinfra struktur,                    (DIW)
            durch der Ener–gie-
            sektor  für  mehr  als
            drei  Viertel  der
            Treibhausgas emis -
            sionen  in  der  EU
            verantwortlich  ist.
            In Ihrer Analyse ver-
            gleichen  die  Wis -
            senschaftlerInnen
            drei  Optionen  zur
            Ausgestaltung  des
            zukünftigen  Ener -
            gie mix,  in  denen
            entweder  elektri-
            scher  Strom  aus
            erneuerbaren  Ener -
            gien,  grüner  Was -


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